Benchmark 2021: Psychische Belastungen im Beschwerdemanagement steigen um mehr als 40% an
Es beginnt der dritte Winter der Covid-19-Pandemie, und die Belastungen in Kliniken und Krankenhäusern betreffen mehr und mehr diejenigen, die im Kontakt mit Patientinnen und Patienten für Lob und Beschwerden zuständig sind: Die psychischen Auswirkungen auf Beschwerdemanager*innen haben sich während der Pandemiesituation erheblich verstärkt. Das geht aus dem aktuellen Benchmark des Jahres 2021 (Daten aus dem Jahr 2020) vom Bundesverband Beschwerdemanagement für Gesundheitseinrichtungen e. V. (BBfG), dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) und dem Softwarehersteller Inworks, Marktführer im Bereich des klinischen Qualitäts- und Risikomanagements, hervor. Danach äußerten fast 41% der befragten Beschwerdemanager*innen, dass sich ihre psychischen Belastungen aufgrund der Pandemiesituation erhöht hätten – eine erhebliche Zunahme.
Neue Beschwerdeinhalte
„Wir sehen, dass während der Covid-19-Pandemie eine Vielzahl neuer Beschwerdeinhalte hinzugekommen sind.“ So bringt Oliver Gondolatsch, 1. Vorsitzender des BBfG e.V., die Ergebnisse des aktuellen Benchmark auf den Punkt. Patienten klagen über Besuchs- und Hygieneregelungen, Maskenpflicht, Testungen und Sicherheitsvorkehrungen sowie die eingeschränkte Kommunikation zwischen Personal und Angehörigen. Auch abgesagte bzw. verschobene Eingriffe und Therapien stellen vielfach eine Belastungsprobe zwischen Patienten und Klinikpersonal dar. Betrachtet man das Gesamtbild, gibt es mit 22% die häufigsten Beschwerden zu Organisation und Logistik (betreffend etwa die Wartezeiten), danach folgen Probleme in der Kommunikation mit 19%. Gelobt wird am häufigsten die pflegerische Versorgung (29,6 Prozent), gefolgt von ärztlicher Leistung (25,5 Prozent); im Vergleich zu 2019 stiegen diese Werte leicht an. Gleichzeitig ist die ärztliche Leistung mit 14,2% auch dritthäufigster Beschwerdegrund. Ein weiteres wichtiges und differenziert bewertetes Thema ist die Kommunikation: Sie findet sich mit jeweils 19% ganz vorne sowohl bei Beschwerden als auch beim Lob.
Hohe Belastungen durch emotionsgeladenes Verhalten
Als Gründe für die hohen psychischen Belastungen geben die befragten Beschwerdemanager*innen vor allem Drohungen, Angriffe und Aggressivität der sich beschwerenden Personen an. Emotionsgeladenes Verhalten steht mit 20% ganz oben auf der Liste der genannten Probleme. Ebenfalls häufig genannt werden der Umgang mit schwierigen Beschwerdeinhalten wie Sterbefällen (ca. 13%), Personalknappheit, Zeitdruck und hohes Arbeitsaufkommen (ca. 12%) sowie die mangelnde Unterstützung durch Beteiligte (ca. 12%). Erschwerend für Beschwerdemanager*innen kommt hinzu, dass offensichtlich viele Führungskräfte nicht verstehen, warum Stellungnahmen angefordert werden. Auch eine fehlende Anerkennung des Beschwerdemanagements als Instrument zur Steuerung der Kundenbedürfnisse wird bemängelt. So werde auf Beschwerden häufig reaktiv und rechtfertigend reagiert, anstatt diese tatsächlich ernst zu nehmen und als Instrument einer kontinuierlichen Verbesserung zu nutzen (KVP).
Verbesserungen durch Fort- und Weiterbildungen
Angesprochen auf Verbesserungen, wünschen sich die Beschwerdemanager*innen vor allem eine Verbesserung der Fehlerkultur; dieser Wunsch stand auch schon im letzten Jahr an erster Stelle. „Beschwerden müssen als Chance gesehen werden“, fasst Oliver Gondolatsch zusammen. Eine ebenfalls häufig gewünschte Veränderung betrifft neben dem persönlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen den Bereich Fort- und Weiterbildungen. Aus diesem Grund hat der BBfG sein Angebot hierzu kontinuierlich ausgebaut und bietet für den April 2022 erstmals eine umfassende Basisqualifikation für Beschwerdemanager*innen an (s. https://bbfg-ev.de/weiterbildung). Ebenfalls im Programm sind ein Mediations-Workshop oder ein Selbsttest nach dem anerkannten ID37-Testverfahren inklusive eines persönlichen Coaching mit einem Fachmann/Fachfrau.
Für den Benchmark, der in diesem Jahr zum achten Mal erschienen ist, sind 1.783 Ansprechpartner eingeladen worden. Von 338 Teilnehmern gingen Rückmeldungen ein (19 Prozent), die Angaben für 353 Klinikverbünde und 446 Standorte gemacht haben.