„Bei Problemen wird gehandelt, und Defizite werden ohne Schuldzuweisungen besprochen“: Sieglinde Voß, Ideen- und Beschwerdemanagement Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende

Frau Voß, wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Was sich durch fast alle meine Arbeitstage zieht: Ich telefoniere sehr gerne und häufig, um Beschwerden zu klären und Probleme aufzulösen. Viele Beschwerden gehen bereits telefonisch bei mir ein. Wenn das Telefon klingelt und sich ein Beschwerdeführer oder eine Beschwerdeführerin meldet, egal ob um neun Uhr morgens oder halb sechs Uhr abends, bin ich da und höre erst mal zu. Daraus folgt dann, welchen Weg das Anliegen nimmt – ob ich beispielsweise sofort etwas tun kann. So kam es in Zeiten von Corona häufig vor, dass Angehörige beunruhigt waren, wenn sie ihre Verwandten im Krankenhaus nicht erreichen konnten. Gleichzeitig warteten diese Patienten ihrerseits auf eine Kontaktaufnahme. Dann habe ich mich selbstverständlich direkt mit der Station in Verbindung gesetzt und vermittelt, dass hier dringend eine Rücksprache erforderlich ist. Ich greife sehr gerne zum Telefon, auch im Kontakt mit Beschwerdeführern, also für die Rückmeldung. Denn: Man spürt im direkten, persönlichen Austausch einfach so viel mehr, worum es geht, und wie sich der Fall am besten klären lässt. Wenn ich die Beschwerde angenommen und weitergegeben habe, erfolgt meist auch zügig die Rückmeldung aus dem Haus, was sehr erfreulich ist. Gleichzeitig ist mein Arbeitsalltag auch durchzogen vom Thema Fort- und Weiterbildung, wofür ich ebenfalls verantwortlich bin. Wobei die Beschwerden immer oberste Priorität haben.

Wie und warum sind Sie Beschwerdemanagerin geworden?
Für Fort- und Weiterbildungen bin ich bei uns am Evangelischen Krankenhaus Göttingen-Weende bereits seit 1999 zuständig. 2008 gab es eine rechtliche Umorganisation zur gemeinnützigen GmbH. Bis dahin waren die Beschwerden im Qualitätsmanagement angesiedelt. Durch interne Umstrukturierung bot sich mir die Möglichkeit das Aufgabenfeld zu übernehmen. Durch meine Arbeit war ich mit dem Thema Lob und Beschwerden schon in Berührung gekommen und habe oft erlebt, wie das unsere Mitarbeitenden bewegt. Dadurch hatte ich immer schon viel Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen im Haus, bei der Pflege ebenso wie im ärztlichen Bereich. Daher war ich sofort interessiert und wusste, hier kannst Du was tun, um Verbesserungen einzubringen und Dinge voranzutreiben! Es muss ja jemanden geben, der beiden Seiten zuhört, wenn mal etwas nicht so geradlinig gelaufen ist.

Wie hat sich das Lob- und Beschwerdemanagement in den vergangenen Jahren verändert?
Ich hatte das Glück, dass ich das Lob- und Beschwerdemanagement bei uns von Grund auf aufbauen konnte. Das war und ist eine ganz wunderbare Arbeit, dafür zu sorgen, dass dieser wichtige Bereich gut in unsere Organisation integriert ist und eine gute Akzeptanz finden konnte. Seit 2015 nutzen wir Intrafox von inworks, was eine große Erleichterung in der Bearbeitung von Beschwerden war und ist. Die wichtigste Veränderung ist sicherlich: Mittlerweile haben wir eine Fehlerkultur auf den Weg gebracht, die wir stetig weiterentwickeln. Das bedeutet: Bei Problemen wird gehandelt und Defizite, wenn es welche gibt, werden ohne Schuldzuweisungen besprochen. Daraus folgen dann Veränderungen. Ein wirksames Beispiel für die Praxisorientierung unseres Lob- und Beschwerdemanagements ist die Einführung eines Kofferbandes zur Sicherheit des Patientengepäcks. Seit Oktober 2021 erhalten unsere Patienten zusätzlich zu ihren ldentifikationsarmbändern auch Kofferbänder für ihr Gepäck. Hintergrund ist, dass uns vorher bisweilen Verluste von Gepäckstücken und Patienteneigentum gemeldet wurden. Damit das Gepäck zum Beispiel bei Verlegungen problemlos zu identifizieren oder bei Verlust wieder zu finden ist, werden nun Kofferbänder am Gepäckstück angebracht. Man kann sich das so wie am Flughafen vorstellen. Bisher ist das Kofferband bei den Patienten, die zu elektiven Eingriffen aufgenommen wurden, sehr gut angenommen worden. Eine Ausweitung in alle aufnehmenden Bereiche, wie zum Beispiel die Zentrale Notaufnahme, ist geplant.

Welches Lob und welche Beschwerden hören Sie am häufigsten?
Wir führen kontinuierliche Patientenbefragungen durch anhand der Ausgabe von Meinungskarten. Das ist ein sehr guter Indikator dafür, wo es bei uns, salopp gesagt, mal hapert, und wo es positiv läuft. Ehrlicherweise sind diese Karten tatsächlich vornehmlich positiv angekreuzt. Wir erhalten erfreulich viele Rückmeldungen zur kompetenten Versorgung in unserem Haus, zur Freundlichkeit der Pflegekräfte und des ärztlichen Personals. Ein Zitat aus jüngster Zeit, das ich, auch als Lob an die Kolleginnen und Kollegen, einfach mal weitergeben möchte, lautet: „Super profesionelle und zugewandte Pflege, man fühlt sich nicht wie Krankenhaus, sehr angenehme Atmosphäre…“

Was schätzen Sie am BBfG?
Den Austausch – das motiviert so ungemein und gibt Kraft. Denn natürlich gibt es auch Belastungen, gerade in diesem Beruf. Häufig ist man Einzelkämpfer, ich selbst habe zum Glück eine nette Kollegin, mit der ich mich austauschen kann. In jedem Fall ist ein kollegiales Forum wie der BBfG so viel wert. Was ich außerdem sehr schätze, ist die Entwicklung, die der BBfG genommen hat – von einer Vernetzung zu einem Verein mit einer Vision. Das hat sich enorm professionalisiert. Und ich bin sehr dankbar, dass der Vorstand sich so stark und ehrenamtlich engagiert. Dass das Thema Beschwerdemanagement auf eine politische Ebene gehoben wurde, es Aktionen gibt, um unser Wirken bekannt zu machen, eben dass aktiv an Inhalten und Themen gearbeitet wird, die wir selbst bestimmen. Das Thema Weiterbildung und auch das Herausgeber-Buch zum Thema Beschwerdemanagement in Krankenhäusern, das der BBfG in Kürze veröffentlichen wird, sind ebenfalls ganz wichtig.
Vereinfacht gesagt schätze ich am BBfG, dass wir Beschwerdemanagerinnen und Beschwerdemanager durch die Tätigkeit des Verbandes sichtbar geworden sind und dass dadurch das Beschwerdemanagement einen qualitativen und professionellen Stellenwert erhält.

Was motiviert Sie jeden Tag?
Das Wissen, etwas zu bewirken. Wenn ich ein Gespräch führe und anschließend einen Prozess in Gang setze und ein Problem löse, ist das einfach ein großer Ansporn. Und natürlich spüren auch die Patienten und Angehörigen, dass sie hier ernst genommen werden und geben entsprechend positives Feedback.

 

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